Am höchsten bewertete positive Rezension
5,0 von 5 SternenBeeindruckend und berührend
Rezension aus Deutschland vom 4. Dezember 2011
Ich kann die schlechten Bewertungen zu "Il silenzio" in keiner Weise nachvollziehen und schliesse mich den positiven Bewertungen an.
Mich interessiert das Thema Mafia seit Schultagen. Einige Sachbücher zu diesem Thema habe ich bereits gelesen, das großartige Buch von Roberto Saviano steht in der Liste meiner All-Time-Favorites und ebenso habe ich etliche Dokus im Fernsehen gesehen.
Es ist also Wissen zu diesem Thema vorhanden.
Trotzdem gab es da immer diese Lücke, dieses letztendliche Nicht-begreifen-können, was die Mafia bedeutet, warum es unmöglich zu sein scheint, diese Plage in den Griff zu bekommen.
Diese Lücke schliesst "Il silenzio". Der Autor ist in Sizilien aufgewachsen und beschliesst früh in seinem Leben, daß er etwas machen möchte gegen die Krake Mafia. Er geht mit 16 zur Polizei und landet irgendwann bei der Anti-Mafia-Einheit in seiner Heimatstadt Catania.
Im Buch wird nun sehr eindringlich beschrieben, warum die Mafia da ist, wo sie ist; ihre Machtstrukturen, ihre Geschäfte, ihre Tricks und der fast aussichtslose Kampf der wenigen Ehrlichen und Aufrichtigen gegen diese Organisation.
Es werden keine Jahreszahlen und keine Klarnamen genannt, bis auf die schon verstorbenen Richter Falcone und Borselino.
Mir fehlten diese Fakten aber nicht, und zwar aus folgendem Grund: in diesem Buch geht es eben nicht um die harten Details, die sturen Geschehnisse. Sondern es geht um das Gefühl, um die Möglichkeit, beim Lesen wirklich zu sehen, was die Mafia im täglichen Leben der normalen Leute bedeutet. Warum Süditalien im Griff der Mafia überhaupt keine Chance auf wirkliches Wachstum hat, daß die Mafia tagtäglich Krieg gegen die eigenen Leute führt. Dieser Krieg dauert schon so lange an, daß er nicht mehr in Frage gestellt wird. Die Bildung der Bevölkerung ist lächerlich und selbst der Norden Italiens ist für die meisten Bewohner Süditaliens kein Begriff. Sie haben keine Ahnung, daß ihr tägliches Leben nicht normal ist, sondern daß sie ständigem direkten und indirekten Terror ausgesetzt sind.
Auch die Verstrickungen bis in die höchsten Politikerränge hinein fehlen nicht und sind teilweise am beklemmensten beschrieben.
"Il silenzio" hat es geschafft, mich zu berühren und zu packen. Es kein Buch eines begabten Schriftstellers wie "Gomorra", jeder Satz ist erarbeitet und das Lesen stellenweise anstrengend, aber jede Zeile lohnt sich, weil hier jemand zutiefst ehrlich seiner Empörung Luft verschafft.
Fazit: wenn Sie sich nur ein wenig für das Thema Mafia interessieren, kann ich dieses Buch nur wärmstens empfehlen. Absolut lesenswert.